Was willste denn in Thailand? Ist das nicht nur Strand, Alkohol und One Night Stands? Klar, kann man so machen. Muss man aber nicht. Abseits der Ballermann-Orte gibt es nämlich verdammt coole Tempel, die alle den Anschein erwecken, als wäre man gerade durch ein Portal in eine andere Welt und Zeit gebeamt. Eine Welt aus überbordendem Gold, feinem Silber-Handwerk, bunten Gebetsflaggen, klingenden Glöckchen, rezitierenden Mönchen, Wald-Tempel, Stein-Tempel, Kriegsruinen und Königspaläste. Wow. Am Ende sind wir so zugetempelt, dass es fast unmöglich wird, diese intensiven Sinneswahrnehmungen noch zu verarbeiten.
Trotzdem ist jeder einzelne Ort eine zutiefst meditative, wundersame Erfahrung. Wie kann sich ein Platz voller Menschen total ruhig anfühlen? Wie können all diese Farben, dieser Glanz, die Räucherstäbchen und die hohen Flammen aus den tropfenden Kerzen so viel Stille und Gelassenheit ausstrahlen? Und dann die Höflichkeit der Menschen. Die Hingabe, mit der jeder einzelne Mosaikstein an diesen teils riesigen Anlagen mit der Hand angeklebt wird. Jeder Türknauf entsteht mit winzigem Meißel und winziger Feile in stundenlanger Kleinstarbeit.
Man steht einfach dort. Barfuß. In Tempeln sind keine Schuhe erlaubt. Der Boden ist warm, die Abendsonne steht tief über den tropischen Bäumen mit den riesigen Blättern, die Konturen einer überdimensionalen Buddha-Statue zeichnen sich dunkel, aber weich, gegen den Himmel ab.
Thailands Tempel sind eine Welt für sich. Jeder ganz anders, jeder mit seiner eigenen Farbe und Atmosphäre. Komm, wir beamen durchs Portal und gehen hin!
Orange, grün, rosa und gelb sieht die Pyramidenspitze aus, die über der hohen Mauer hervorguckt. „Was ist das denn?“, frage ich aufgeregt. Bestimmt irgendein bekloppter Kirmes-Truck, der Marshmallows und Knallbonbons verkauft. Doch dann ist es einer der bekanntesten Tempel in Bangkok – Wat Pho. Schon mal vorab: „Wat“ bedeutet „buddhistischer Tempel“ – also dat Wort werdet ihr jetzt noch öfter lesen, und nein, es ist nicht immer das gleiche Gebäude.
Wat Pho ist mein erster Kontakt mit den schrill-bunten, wunderschönen, ornamentalen Tempeln Thailands. Ich bin umgehauen. Überall stehen treppenförmige Pagoden, bis ins winzigste Detail mit bunten Ton-Blumen beklebt. Alles ist riesig und doch zugleich wie eine Miniaturwelt. Wahnsinn. Wir wandeln zwischen den Türmen herum, gehen in Gebetshallen hinein, sehen endlose Reihen an Buddha-Figuren, so groß wie Menschen, die stumm nebeneinandersitzen.
Eines der Highlights von Wat Pho ist der Liegende Buddha. Na, was kann das schon sein? Wahrscheinlich liegt eine der Figuren auf der Seite. Aber warum hat der ein eigenes Gebäude? Hunderte Besucher strömen hinein, und wir mit ihnen. Ich erwarte eine Vitrine oder sowas. Dann falle ich fast um. Der Liegende Buddha füllt einfach mal das gesamte Gebäude aus und ich bin nicht größer als sein kleiner Zeh. 15 Meter hoch und 46 Meter lang ist die goldene Skulptur. Wat the fuck?
Im Norden Thailands befindet sich die Stadt Chiang Mai und mit ihr der Mönchspfad. Wie schön, ein gemächlicher Pilgerweg, auf dem man an mehreren Tempeln vorbeikommt. Dachten wir. Keine Ahnung, was mit den thailändischen Mönchen nicht stimmt, aber die haben einfach mal einen steinigen, staubigen Pfad mitten durch den Dschungel einen steilen Berg hinauf gebaut. Bei 34 Grad im „Winter“ und 42 Grad im Sommer ist man dabei. Luftfeuchtigkeit 99 Prozent, da hilft auch kein Allwetter-Deo. Gemächliches Pilgern kannste vergessen. Schuften ist angesagt. Allerdings lohnt es sich. Auf halbem Weg trifft man nämlich auf den Wald-Tempel Wat Pha Lat.
Mitten im Urwald – okay auf einer Seite verläuft in der Nähe eine Straße für Autos – liegen mehrere verwunschene Gebäude. Pagoden aus Ziegel mit Moos bewachsen, ein Grottenhaus und schließlich ein weißer, langgestreckter Bogenbau, der beinahe etwas unheimlich wirkt. Durch das Areal fließt ein kleiner Fluss, der über ein Infinity-Becken in die Tiefe plätschert. Obwohl viele Menschen hier sind, ist die Atmosphäre ruhig. Einatmen, ausatmen. Wir setzen uns in den halbwegs kühlen Bogenbau und schauen eine Weile nur auf die steinernen Buddhas mit der gelben Stola. Vor dem Eingang hängen Trompetenblumen von einem Baum. Ein Paradies.
Hat es geschneit, oder was? Wat Rong Khun in der ebenfalls nördlich gelegenen Stadt Chiang Rai ist eigentlich nur unter dem Namen „der Weiße Tempel“ bekannt. Für mich von der ersten Sekunde an eines der beeindruckendsten, modernen, kunstvollen Gebäude der Welt. Mindestens so krass wie die Sagrada Família in Barcelona. Über und über sind die Gebäude mit strahlend weißen, verschlungenen Verzierungen bedeckt. Beklebt mit tausenden von spiegelnden Mosaikteilchen. Am Eingang geht man gleich schon mal durch die „Hölle“, wo sich schaurig greifende Arme hilfesuchend aus einem Moloch in den Himmel recken und Monsterköpfe aus dem Boden quellen. Stellt sich raus, dass der Künstler damit nicht die Hölle darstellen wollte, sondern die Erde. Passt ja aktuell super.
Von dort geht es durch das Tor der Erleuchtung über eine Brücke, die die Reise vom ewigen Lebenskreislauf der Wiedergeburt zum Nirwana symbolisiert. Oft vergesse ich, zu atmen, weil alles so unglaublich ist. Strahlend weiß, detailliert, übertrieben. Unglaublich-alles.
Schließlich stoßen wir auf dem Gelände auch auf weniger prachtvolle Gebäude. „Vielleicht so als Kontrast“, sage ich. Von wegen. Die Tempelanlage ist immer noch im Bau und noch längst nicht fertig. Eröffnet wurde sie 1997 – fertig sein soll sie 2070. Hinter allem steckt der international erfolgreiche Künstler Chalermchai Kositpipat. 70 Jahre alt ist er inzwischen und wird das Ende seiner gigantomanischen Idee nicht mehr erleben.
Wer sich etwas Zeit nimmt, kann die Werkstätten finden, hineingehen und seinem Team dabei zusehen, wie sie neue Teile für den Tempel fabrizieren! Kositpipat mischt sich oft selbst unerkannt unter die Arbeiter. Außerdem finanziert er den gesamten Bau durch seinen Verdienst als Künstler. Spenden nimmt er nur bis 250 Euro an, denn keine Einzelperson soll zu viel Macht über den Ort bekommen. Beeindruckend auf so vielen Ebenen!
Chiang Mai ist für mich die Stadt mit den wahrscheinlich schönsten Tempeln in Thailand. Hier liegt nicht nur der Mönchspfad, sondern auch der Silberne Tempel Wat Sri Suphan. Einfach alles hier ist silbern – und ich übertreibe nicht. Die gesamte Gebetshalle ist aus schimmernden Blechen hergestellt. Nicht alle sind aus echtem Silber – einige Teile bestehen aus Nickel oder Aluminium. Doch was da in der Sonne glänzt, ist fast surreal anzusehen. Die Fassade ist über und über mit winzigen, eingravierten Bildgeschichten bedeckt und alles ist in Handarbeit entstanden. Kein Wunder, denn der Bezirk Wua Lai ist für sein Edelmetallhandwerk bekannt. Obwohl das Tempel-Areal mehrere hundert Jahre alt ist, ist der Silberne Tempel recht neu und erst zwischen 2008 und 2016 entstanden.
Besonders abgefahren sind die Treppenstufen, die wie blaues Wasser aus dem Tempel-Inneren herauszuwallen scheinen. Hineingehen dürfen übrigens aufgrund der lokalen Lanna-Tradition hier leider nur Männer – das habe ich an anderen Tempeln zum Glück nicht so erlebt. Mir egal, hat mein Mann halt ein Foto von Innen gemacht, was gezeigt hat, dass es da drinnen gar nicht so doll aussah.
Auf dem Platz gab es dann noch eine Maus-Statue, der man Wünsche zuwispern konnte. Ich kann es jetzt laut sagen, weil es anscheinend geklappt hat – denn ich habe mir gute Ergebnisse bei den nächsten Krebs-Untersuchungen meines Mannes gewünscht und genau das ist eingetreten. Ich wünsche mir generell nichts mehr für mich selbst. Ich hab so vieles, das mich glücklich macht und so viele Menschen haben das nicht. Also wünsche ich mir lieber etwas für andere.
Es ist unser erster Abend in Chiang Mai. Es ist warm, wie immer. Eigentlich sind wir müde. „Aber da ist ein Tempel in der Nähe“, sage ich. Mein Mann schaut mich an. „Sarah. Da ist immer ein Tempel in der Nähe in Thailand.“
Wie gehen hin.
Es ist der Wat Phra Singh Tempel mitten in der Altstadt. Vielleicht ist es die Abendsonne oder der leichte Windhauch oder die andächtige Tempelkatze, die mit grünen Augen mitten auf dem Boden chillt und sich durch absolut nichts aus der Ruhe bringen lässt. Aber hier hängt Magie in der Luft so dick wie tropfender Honig. Eine runde, vergoldete Pagode steht wie ein kleiner Dom in der Mitte des Platzes mit den von der Sonne angewärmten glatten Steinen. Bunte, lange Stoffflaggen wehen rund um den Bau. An einem Gerüst baumeln zahllose kleine silberne und goldene Glöckchen. Die kann man bei einem Mönch gegenüber kaufen und sich – mal wieder – etwas wünschen. Wünsche spielen im Buddhismus eine ganz große Rolle. Mal mit Glöckchen, mal mit Karten, Flaggen, Kerzen oder Holztäfelchen.
Neben den Glöckchen steht ein Gestell, auf dem gelbe Kerzen lodernd flammen. Einige kippen um und vereinen sich zu einer Riesenflamme. Ich ziehe meine Schuhe aus und gehe barfuß im Uhrzeigersinn – ganz wichtig im Buddhismus – langsam um die goldene Pagode. Auf einmal fängt eine Gruppe Mönche im Gebetshaus an, zu singen und zu rezitieren. Per Lautsprecher klingt der spirituelle Singsang wie ein Teppich aus fremden und zugleich beruhigenden Tönen hinaus in die Anlage. Ich schließe meine Augen. Ein Moment des absoluten Friedens.
Thailands Tempel. Ich hab euch jetzt nur von fünf erzählt – und es gibt 44.000 im ganzen Land. Da fällt es ziemlich leicht, Strand, Party und Alkohol zu vergessen.
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Weitere Berichte von abgefahrener Architektur und spirituellen Orten in
Asien findet ihr hier:
SquirrelSarah (Mittwoch, 16 April 2025 10:31)
Dear Terri, thank you so much for stopping by. I am so happy you found my report inspiring and took the time to read it. Thailand was truly a miraculous place. So much more than a beach vacation. We are very thankful that we had the chance to see all this. We definitely took some lessons home from Buddhism as well.
Hugs,
Sarah
Terri Nakamura (Montag, 14 April 2025 10:04)
Sarah, you bring the world to each of us. Thailand looks incredible. It's so good to see you guys enjoying what you love the most and with the people you love the most.