33 Grad im Winter, türkises Meer, Sandküsten – was kann man da machen? Genau: wandern. Dort, wo Berge, brütende Luftfeuchtigkeit, Dschungel, monströse Zikaden und gigantische Ausblicke lauern.
Hä? Wandern im tropisch-heißen Thailand? Warum sollte man das tun? Keine Ahnung – wir wandern halt einfach überall, egal ob das jetzt logisch ist oder nicht. Außerdem sind wir neugierig, ob es geht und was es da so gibt. Spoiler: Jedes Mal, wenn wir einem Thai erzählen, dass wir auf der Suche nach einem Wanderweg sind, werden wir angeschaut, als hätten wir gerufen: „Das Soft-Eis brennt!“ Verwunderung, Verständnislosigkeit, ein mildes Lächeln. Warum rennen die beiden Bekloppten bei sengender Sonne in Klumpschuhen, mit Rucksäcken und knallroten Gesichtern auf diesen Berg?
Vielleicht, weil dort oben der Blick über eine endlose Reihe an runden, grünen Felsnoppen schweift, die einem das Gefühl geben, „in einem Land vor unserer Zeit“ zu stehen.
Vielleicht, weil nach über eintausend Steinstufen ein Tempel auf einem prekären Steinbalkon Aussicht auf einen goldenen Buddha hoch über dem Ozean gibt.
Vielleicht auch, weil auf einem Bergplateau eine so unglaubliche Menge an goldenen Gebäuden, Schirmchen und Statuen angehäuft ist, dass Tutenchamun in seinem Grab vor Neid gleich nochmal sterben würde. Kommt mit uns und entspannt euch mit ’nem Soda, während wir losstiefeln…
Der Mönchspfad von Chiang Mai klingt nett: durch bewaldete Hügel an Tempeln vorbei. Da kann man gemütlich pilgern und die Gedanken schweifen lassen. Ja, von wegen! Staubig geht’s eine Lehmpiste rauf und in einen heißen Wald. In der Regenzeit bekommt man noch kostenfrei Schlamm dazu. Verwöhnt durch verwunschene Trails in Island und pittoreske Kreuzgänge in Spanien, lernen wir hier, dass „Pfad“ und „Mönch“ nicht bedeutet, dass es automatisch spirituell-schön wird. Wandern in Thailand ist Knochenarbeit.
Hat man das einmal verinnerlicht (und nicht gleich wieder
ausgeschwitzt), sieht man auch plötzlich die schönen Seiten: Lianen schlängeln sich um Büsche mit dicken, grünen Blättern, Vögel geben ein tropisches Konzert und Grillen stimmen etwas
schräg und vergeblich, aber sehr laut, ihre Geigen.
Der direkte Weg führt erst zum moosigen Wald-Tempel Wat Pha Lat und dann zum goldenen Doi Suthep Tempel unterhalb der gleichnamigen Bergspitze. Wobei der zweite Teil des Trails zum Doi Suthep Tempel aus fast senkrecht in den Lehm gehauenen Stufen besteht. Muss man unbedingt mal machen, wenn man rückwärts von einem Hang kippen, sich dabei totschwitzen und so fühlen will, als würde man gleich ein Sauerstoffzelt brauchen. „Pilgerpfad“, also bitte.
Doch der erste Teil des Wegs hinauf zum Wald-Tempel ist gangbar. Bevor wir jedoch dorthin wandern, machen wir noch einen Abstecher zum Anakamee Buddhist Park. War eher spontan. Da stand nämlich so ein Schild.
„Guck mal, das Piktogramm darauf sieht aus, als würde die Figur klettern, statt wandern“, sage ich leichthin zu meinem Mann. Ein paar Minuten später wissen wir, warum. Auch hier führt eine recht steile Lehmtreppe nach oben – nur nicht ganz so crazy wie die zum Doi Suthep Tempel. Dadurch, dass der Buddhist Park nicht auf der direkten Route des Mönchspfads liegt, ist er weniger besucht. Wir genießen einige stille Momente in dem nach allen Seiten offenen Gebetshaus mit den warm-blauen Fliesen.
Von dort aus wandern wir einen Bogen zum Wald-Tempel. Moose und Gräser sprießen dort aus roten Ziegel-Pagoden, ein Bach rinnt unter einer Brücke neben einem Baum mit Trompetenblumen hindurch und ein langgestrecktes, weißes Gebäude mit Bogentüren sieht im dichten Dschungel fast etwas unheimlich aus.
Den zweiten Teil der Wanderung auf der krass steilen Lehmpiste zum Doi Suthep Tempel brechen wir nach kurzer Zeit ab. Zu heiß, zu rutschig, zu gefährlich. Mit einem Tuk-Tuk düsen wir hinauf zum Eingang des Tempels.
Eine lange Treppe mit mehrköpfigen Drachen führt zu einem der goldensten Orte, die ich je gesehen habe. Gebäude, Buddha-Statuen, ein überdimensionaler Schirm, Mauern, der Boden,… alles besteht aus vergoldeten Elementen. Auf einer rundlaufenden Empore entdecken wir hunderte bunte Lampions, einen geschnitzten Holztempel, pink blühende Bäume und große, dumpf klingende Gebetsglocken. Das ist der Moment, in dem uns die Spiritualität erfasst wie der warme Wind, der über dem Berg weht. Endlich angekommen.
Mönchspfad, Chiang Mai, 3 km (eine Strecke), 4.2 km mit Abstecher zum Buddhist Park, 600 Höhenmeter
309 Höhenmeter auf 600 Metern Strecke. Weißte Bescheid. Auf
1.260 Stufen führt der Weg vom unteren Teil des Tiger Cave Tempels in Krabi hinauf zum oberen Teil, der mitten in die Spitze eines senkrechten Felsen gemeißelt wurde. Wahrscheinlich
wieder von irgendwelchen verrückten Mönchen. Da uns weder Höhenmeter noch Stufenzahl abschrecken, laufen wir kurz darauf an einem weiteren Warnschild vorbei: „Achtung, einige Stufen sind
kniehoch.“ Ich schaue eine Weile auf mein Knie. Hm. Wir gehen weiter. Dann: „Achtung – Affen lieben es, dein Portemonnaie zu klauen!“ Ich schaue auf. Einer nähert sich bereits
unauffällig-flauschig den Schuhen meines Mannes.
Wir tun es trotzdem. Mit etlichen Pausen und
großartigen Aussichten auf Palmfelder, und später auch das Meer, erklimmen wir im Schneckentempo alle 1.260 Stufen. Schweißränder bis nach China, 34 Grad. Mal wieder. Und es ist „Winter“ und
„beste Reisezeit“ im Februar. Naja. Wandern in Thailand halt – ändert auch die beste Reisezeit nix dran. Selbst die über-selbstbewussten Gym-Typen, die erst noch im Unterhemd zwei Stufen
gleichzeitig nehmen, hängen irgendwann schnaufend über dem ein oder anderen Geländer. Einige der „kniehohen Stufen“ sind so hoch, dass wir beim Heruntergehen später rückwärts absteigen. Aber oben
ist es wow! Ein riesiger Buddha blickt über eine surreale, grüne Hügel- und Felslandschaft bis zum Meer. Es gibt einen Trinkwasserbrunnen und einen kleinen Balkon. Ganz zart schlage
ich eine der Gebetsglocken an. Der Hall scheint bis zum Horizont zu klingen. Ob es das wert war? Aber hallo!
Tiger Cave Tempel, Krabi, 600 Meter, 309 Höhenmeter, 1.260 Stufen
Unsere Unterkunft liegt nur 200 Meter vom Strand entfernt. Wir rufen uns ein lokales Taxi und düsen in die entgegengesetzte Richtung zum Wanderparkplatz am Dragon’s Crest Mountain in Krabi. Sieben Kilometer lang ist der Rundweg hinauf auf den Berg und zurück. Im Tal gibt’s eine Einlassschranke, denn man wird nur bis 14 Uhr auf den Trail gelassen, weil sonst die Gefahr besteht, dass Wanderer es nicht vor Dunkelheit zurückschaffen. Die Typen im Einlasshäuschen sind mürrisch, donnern uns eine Notfall-Telefonnummer auf den Tisch und ziehen die Wandergebühr ein. Da fühlt man sich gleich bestens aufgehoben.
Wir gehen los. Zuerst durch den feuchten Regenwald, dann immer weiter hinauf durch den trocknen Regenwald. Zuerst schwitzt man ziemlich doll wegen der Luftfeuchtigkeit, dann, weil der Pfad ansteigt. Also schwitzt man immer. Aber kennen wir ja schon. 34 Grad und so.
Erst poltern wir über dicke Steinbrocken – Digga, lass die Flipflops zu Hause – und dann hinauf über dichtes Wurzelgeflecht. Immer wieder sehen wir dunkelrote Bäume (Syzygium Antisepticum), deren Rinde wie zerrissenes Pergamentpapier in der seltenen, aber sehr willkommenen Briese flattert. Irgendwo müssen endlos große Zikaden sitzen, denn ihre Töne sind fast so laut wie die einer elektrischen Säge. Weiß nicht, ob ich das cool, oder nervig finde.
Manchmal huschen Echsen über den Weg, manchmal sehen wir
rasende Ameisen-Autobahnen, die sich chaotisch-effizient über blanke Wurzeln schlängeln. Ein unglaublich spannender Wald voller Kleinigkeiten. Naja, bis auf die riesige (aber harmlose)
Spinne, die ihr Netz in etwa drei Metern Höhe quer über den Wanderweg gebaut hat.
Dann kommt auf einmal eine Lücke im Dschungel und holy shit – weit unter uns erstreckt sich auf der einen Seite das türkisblaue Meer mit seinen endlosen Inselflecken und auf der anderen Seite eine endlos grüne Landschaft mit runden Hügeln, die aussehen, als kämen sie aus der Kreidezeit. Fast ist es, als würden an den mäandernden, blauen Flussbändern im Tal Dinosaurier grasen. Ich fuchtele wild mit den Armen – sooo schön!
Als wir schließlich am Endpunkt auf dem Dragon’s Crest
ankommen, haben wir einen 270-Grad-Blick auf Meer auf beiden Seiten und dem weiten „Land vor unserer Zeit“. Wir schauen hin und her und alles ist so grün und verwunschen, wie eine
Postkarte aus Drohnenperspektive – nur ohne Drohne. Denn wer hier von ganz oben herunterblickt, das sind wir. Für uns die wohl schönste Wanderung, die wir in Thailand gemacht haben.
Dragon’s Crest Trail , Krabi, 3.5 km (eine Strecke), 497 Höhenmeter
Wandern in Thailand – kann man machen, kann man lassen. Wir würden es wieder tun. Was man braucht,
sind literweise Wasser, gute Kondition, Zeit, und das Wissen, dass man auf jeden Fall durchgeschwitzt kaputtgeht – aber mit Gold und Gloria.
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Wenn ihr es eher gechillter angehen lassen wollt, schaut
mal bei meinen schönsten und verrücktesten Tempeln Thailands vorbei – vom Wald-Tempel zum Silberhandwerk-Tempel bis zu einem monumentalen Kunstwerk, noch bis 2070 im Bau ist: Thailands Tempel: Silber und Gold, Flammen und Flaggen.
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