Hängende Moosgärten und ein toter Wald am Strand: Beautiful Savannah.

20. Mai 2023

Driftwood Beach, Jekyll Island, erosion, tree, dead trees on a beach, wonders of nature, Georgia, USA, Sarah Bauer
Der Driftwood Beach in der Nähe von Savannah

„Ich sitze mit kurzen Klamotten in einem Straßencafé!“, rufe ich aufgeregt, während ich mit kurzen Klamotten in einem Straßencafé sitze und beinahe meinen Eistee umkippe. Vom Permafrost in Alaska zu den Stränden Savannahs. Vom nördlichen Polarkreis an die südliche Ostküste der USA. Und das alles nur, weil mein Freund hier vor 50 Jahren auf einer Militärbasis den Flugschein gemacht hat und mal schauen wollte, wie es jetzt so aussieht.

 

Ich finde, dass es gut aussieht, auch wenn die Wärme des Rühreis beim Frühstück zusammen mit der Sonne zu einem spontanen Schweißausbruch führt. Überall bunte Häuser in dunkelblau, pink, gelb. Spanisches Moos, das von uralten Eichen hängt wie Lametta. Loriot wäre ausgerastet. Dampfer auf einem Fluss, der nicht zugefroren ist. Musik, Blumen, Wellenrauschen.

 

Unser Trip nach Savannah in Georgia ist wie ein Polaroid vom Frühling mitten im langen Winter der Rocky Mountains. Dazu kommen ein kilometerlanger Baumtunnel, eine Bucket-List-Segeltour und der surreale Totholz-Strand von Jekyll Island. Pack die Badehose ein, jetzt geht’s los!

Spanish Moss in der Stadt der Parks

Spanish Moss in Savannah, Parks, Downtown, Brunnen, Spanisches Moos, Sarah Bauer
So viele wunderschöne Parks mit hängendem Moos!

Wäre ich in den letzten Monaten plötzlich rot-grün-blind geworden, hätte ich es nicht gemerkt, denn in Wyoming – wo mein Freund lebt – ist seit November Schnee und alle Büsche in der Prärie sind braun. Jetzt ist es März. Und in Savannah ist es nicht nur so grün wie im Urwald, sondern fast schon Sommer. 28 Grad im Schatten. Heidewitzka. Im August wäre ich dann doch gern woanders. Aber jetzt sind wir hier. In einer Stadt, in der alle paar Blocks ein quadratischer Park mit Eichen, Brunnen, Blumen, Bänken und hängendem Moos – dem hier so berühmten Spanish Moss – erscheint. 22 Parks gibt es in Downtown. Geplant und angelegt, lange bevor man wusste, was ein „urban jungle“ ist.

 

Knorrig ragen die gewaltigen, Jahrhunderte alten Eichen in den blauen Himmel. Menschen sitzen auf Wiesen, lesen Zeitung, essen Eis. Vor fast einem Monat waren wir bei minus 30 Grad in Alaska. Ich stehe unter wehendem Moos und bin verzaubert, wie unglaublich vielfältig unsere Welt überall zur gleichen Zeit ist.

Das Viktorianische Viertel – Villa Kunterbunt

Viktorianisches Viertel Savannah, Georgia, Architektur, bunt
Bunte, viktorianische Häuser in Savannah

Außer Moos und Bäumen gibt es in der Innenstadt auch das Viktorianische Viertel. Savannah war nämlich früher mal very british – und das sieht man. Bunte Häuser mit eleganten Veranden, Erkern, verspielten Geländern, Steintreppen mit Efeu und verschnörkelte, majestätische Türen. Ich stopfe meine Schuhe in den Rucksack (oh mein Gott, ich bin so lange nicht mehr barfuß gelaufen!) und gehe auf wilde Fotosafari. Mein Freund muss ab und zu mit seiner Armbanduhr unter meiner Nase wedeln und mich darauf aufmerksam machen, dass jetzt aber wirklich dinner time ist, damit ich nicht einfach für immer in irgendeiner Straße verschwinde, um ein letztes Bild von einem besonders schönen Hauseingang zu machen.

 

Irgendwo lese ich, dass einige der Häuser „wahrhaft historisch“ sind. Zum Beispiel aus dem Jahr 1800. Gut, da war in Europa gerade die Französische Revolution vorbei und über 300 Jahre davor hat Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt, aber aus amerikanischer Sicht ist 1800 natürlich very historic. Ich würde gern in einem dieser fast märchenhaft-kitschigen Häuser wohnen. Aber als ich beim Immobilienmakler an der Main Street auf die Preistafeln gucke, fällt mir wieder ein, dass ich den van Gogh, den ich dafür verkaufen müsste, gar nicht besitze.

Der Baumtunnel an der Wormsloe Historic Site

Wormsloe Historic Site Savannah, Georgia, Eichen, Baumtunnel
Der magische Tunnel aus 400 alten Eichen

Am nächsten Tag sind wir an der Wormsloe Historic Site: eine riesige Fläche mit einer schier endlosen Eichen-Allee und den Ruinen des kolonialen Anwesens von Noble Jones.

Ein tiefer Friede schwebt zwischen den rauschenden Baumkronen und den sandigen Pfaden am Boden. Schmetterlinge tanzen entlang von Palmenblättern und altes Herbstlaub knistert unter unseren Füßen. Apropos alt: Das Anwesen wurde 1745 erbaut. Wir nähern uns zeitlich langsam den Römern und Ägyptern an.

 

Doch viel beeindruckender als die Überreste des Gebäudes finde ich den 2,5 Kilometer langen Eichentunnel, der von der Straße bis zum Anwesen führt. Über 400 Bäume, die inzwischen mehrere Jahrhunderte alt sind, überspannen den Weg mit einem dichten Blätterdach. Wie Fangarme eines Oktopusses schlingen sie sich ineinander, geheimnisvoll, wunderschön und ein bisschen unheimlich. Ich muss an den Film „Pans Labyrinth“ denken. Am liebsten würde ich gleichzeitig lachen und schreien und mit ausgebreiteten Armen die gesamte Allee hinunterlaufen. Leider ist sie komplett für Autos freigegeben und es ist einiges los.

 

Die Ruinen der ehemaligen Festung bestehen übrigens aus „Tabby“ – einem Gemisch aus Sand, Wasser, Asche und Muscheln. Wenn ich mir den viktorianischen Schuppen nicht leisten kann, baue ich einfach ein Haus aus Asche und Muscheln. Ha.

Bucket List: eine Segeltour

Segeltour Savannah, Georgia, Sarah Bauer, Atlantik, Boot
Juhuuu - segeln!

Savannah liegt unbestreitbar am Meer. Und wo Meer ist, sind auch Schiffe. Segelschiffe.

Eine Fahrt mit einem Segelschiff war etwas, das mein Freund und ich beide auf der Bucket List hatten. Und da ich der klaren Meinung bin, dass eine Bucket List nicht bis zur Mumifizierung in der Schublade gammeln sollte, machen wir jetzt eine Segeltour!

 

Natürlich nicht selbst, denn wir haben so viel Ahnung vom Segeln wie von der Haltung eines Basilikums (wir hatten drei und keiner ist mehr alive). Dafür gibt’s zum Glück einen Kapitän und wir hoffen sehr, dass der am Ende noch alive ist.

Schon nach ein paar Minuten weiß ich, dass Segeln richtig fett ist! Das Wasser glitzert, der Wind weht, man braucht keine Schuhe und wenn man weiß, wie man den Fetzen setzt, kommt man sogar vorwärts. Ich versuche, nicht daran zu denken, wie ich mal auf der Fährfahrt nach Helgoland zwei Stunden durchgegöbelt habe.

Segeln in Savannah, Georgia, Segeltörn, Bucket List
Sonnenuntergang und Wind in den Segeln

Dann spielt der Kapitän Shantys aus einem Bluetooth-Lautsprecher und die Sonne versinkt langsam im Meer. Manchmal müssen mein Freund und ich Plätze tauschen, um das Gewicht auf dem Boot zu verlagern, damit es nicht zu sehr Richtung Wasser kippt. Es macht unglaublich Spaß und fühlt sich so befreiend an. Nur das Boot, die See und wir.

 

Soon may the Wellerman come to bring us sugar and tea and rum. One day, when the tonguing is done we'll take our leave and go!“, summe ich mit (übelste Ohrwurm-Gefahr, ich hab die ganze Nacht Spaß gehabt).

 

Muss unbedingt rausfinden, wie man einen Segelschein macht!

Manchmal bringt das „Abhaken“ eines Punkts auf der Bucket List bloß einen neuen Punkt mit sich. Das ist das Schöne am Leben, wenn man sich in ihm und mit ihm fortbewegt statt immer nur mit unerfüllten Plänen und Träumen in der Hand stillzustehen.

Driftwood Beach – wo das Meer den Wald isst

Driftwood Beach, Jekyll Island, Savannah, Wurzeln, Erosion, Strand, Totholz, Wald, Naturwunder
Driftwood Beach - einfach unglaublich beeindruckend

Etwas weiter südlich entlang der Küste dümpeln ein paar Inselchen im Atlantik, die weitaus interessanter sind als der große, touristische Tybee Beach direkt bei Savannah.

 

Eine davon ist Jekyll Island. Hier gibt es nicht nur puffelige Strandläufer, sondern auch einen Wald, der vom Meer aufgegessen wird. Echt jetzt! Kafka hätte sofort eine Parabel darauf geschrieben.

 

Jahrzehntelange Erosion haben an den Bäumen an der Küste geknabbert und ihnen damit den Boden unter den Wurzeln weggespült. Dementsprechend steht und liegt ein Haufen riesiger Stämme mit Wurzeln und Ästen in der Luft mitten auf dem Strand. Beinahe sieht es aus wie ein surrealer Waldbrand, bei dem nichts verkohlt ist.

Jekyll Island, Georgia, Driftwood Beach, Savannah
Wie ein Gemälde - tote Bäume im Wasser

Manche Bäume stehen verwittert in den Wellen als würden sie auf einen Maler aus dem 18. Jahrhundert warten, andere haben eine faszinierende Rinde, die aussieht, als hätten Aliens geheimnisvolle Buchstaben reingeritzt. Es ist superwarm und luftfeucht und ich krieche mit meiner Kamera schwitzend über den Sand. Zum Schwimmen ist es wiederum zu kalt. Jedenfalls ist das mein Fazit, nachdem ich kurz „den Flamingo“ gemacht habe (mit einem Bein ins Wasser und schnell wieder raus).

 

Nach dem Eichentunnel auf der Wormsloe Historic Site und den gefrorenen Bäumen in Alaska ist der Driftwood Beach das dritte Waldwunder, das ich innerhalb kurzer Zeit sehe. Ein Zeugnis davon, wie sich immer alles verändert. Jahreszeiten, Jahrzehnte – und die Menschen, die sich die Dinge ansehen.

Kommentare: 1
  • #1

    Oscar (Sonntag, 28 Mai 2023 13:37)

    hei - echt mal wieder ein sehr toller Bericht der Lust macht das auch zu sehen. Du schilderst das "Zeugs" echt wie in einem Bilderbuch mit Echt-Aufnahmen - bei mir läuft grad Kino im Kopf.. Betreffend Segelschein: das kenn ich und hab es aus dem selben Grund gemacht den du jetzt auf der Liste hast - leider ist es aber so, dass die vielen anderen To Doo's auf meiner Liste mich total verzettelt haben und ich über Jahre nicht mehr gesegelt bin - sehr sehr schade - ist halt wie bei allem: man sollte sich auf etwas konzentrieren und das dann auch wirklich ausleben (ich meine Jetzt: Hobbys) ansonsten geht es irgendwie unter und vergessen und das Know-How und die Übung - dies gerade beim Segeln wo man die Natur und ihre Kraft von Wasser und Wind extrem zu spüren kriegt. aber es gibt nur ein Ratschlag: tu dir das an - es ist einfach nur mega !!! LG, Oscar

Facebook Lonelyroadlover
Pinterest Lonelyroadlover