Es gibt drei Dinge über die Galapagos-Inseln, die fast jeder mal gedacht hat: Liegen irgendwo in einem der sieben Weltmeere, haben riesige Schildkröten, waren mal in irgendeiner ZDF-Doku.
Sie sind sowas wie Hawaii oder Polynesien: Hat man von gehört, kommt man niemals hin. Als wir unseren Roadtrip durch Ecuador planen, fallen uns auf der Landkarte die kleinen, bunten Punkte mitten im Meer auf. Tatsache – die Galapagos-Inseln gehören zu Ecuador!
„Wenn wir schon mal da sind…!“, sage ich ernst zu meinem Freund.
Da ist jetzt relativ, denn zwischen Ecuadors Hauptstadt Quito auf dem Kontinent und den Inseln liegen mal eben 1.300 Kilometer. Aber wer weiß, wann sich noch einmal die Chance ergibt, so nah dran zu sein. Von Berlin bis zu den Galapagos-Inseln sind es jedenfalls 11.000 Kilometer.
Und so sitzen wir gegen Ende unserer dreiwöchigen Reise durch das Festland Ecuadors im Flugzeug über dem Pazifik. Auf dem Weg zu Riesenschildkröten, Nicht-Pinguinen, Lava-Tunneln und der Frage, was wir Menschen einer einzigartigen Natur antun.
Das Erste, was wir von den Inseln sehen, ist ein brauner Fleck in türkisem Wasser. Hä, sind die Inseln nicht grün und voller Tiere? Vielleicht verwechsel ich das auch mit der letzten ZDF-Doku über den Amazonas.
Auf den Galapagos-Inseln gibt es keine klassischen Jahreszeiten, weil sie zu nah am Äquator liegen. Dafür aber Regen- und Trockenzeiten. Jetzt gerade im Oktober ist Trockenzeit. Wahnsinn, hat sich das verdorrte Land unter uns doch gleich erklärt.
Im rumpelnden Bus, der vom Flughafen in die Küstenstadt Puerto Ayora auf der Insel Santa Cruz gondelt, durchfahren wir erst Steppenland mit baumartigen Kakteen und dann überraschend saftige, grüne Wälder. Alter, was ist jetzt mit der Trockenzeit? Ach so, in den Bergen regnet es dann trotzdem.
Schon bei der ersten Berührung mit diesem außergewöhnlichen Ort gibt es einiges, was das europäische Großhirn verarbeiten muss.
Das Galapagos-Archipel besteht laut UNESCO aus 127 einzelnen Inseln und Felsen. 97 Prozent der Fläche ist seit 1959 Nationalpark. Menschen dürfen nur drei Prozent für Häuser und Landwirtschaft in ausgewiesenen Bereichen beanspruchen – und das auch nur auf vier der Inseln. Ziemlich gut! Rund um die Inseln erstreckt sich das Galapagos Meeresschutzgebiet, das 1998 auf 133.000 Quadratkilometer ausgeweitet wurde und damit eines der größten Schutzgebiete der Welt ist. Nochmal: ziemlich gut!
Warum ich das sage?
Nach nur einem Tag auf den Galapagos-Inseln fällt uns der riesige Aufwand auf, der von Wissenschaftlern und Naturschützern betrieben wird, um die Pflanzen- und Tierwelt zu erforschen, zu retten und zu erhalten. So einen Einsatz in so einem Ausmaß habe ich bisher noch an keinem anderen Ort der Welt erlebt. Es ist bemerkenswert, es berührt und zeigt, wie fragil, einzigartig, wertvoll unsere Erde ist. Es gibt Aufzuchtstationen für Riesenschildkröten, Auswilderungsprogramme, Labore zur Bekämpfung von invasiven Arten, Rettungsstationen für Leguane, zahllose Studien, Beobachtungen, Zentren, Guides, Aufklärung und Restriktionen.
Aber weshalb überhaupt das Ganze?
Schadensbegrenzung. Als vor 500 Jahren die ersten Menschen anlandeten, brachten sie Ratten und Ziegen, die Eier von einheimischen Tieren oder deren Futter wegfraßen, töteten Wale, fingen Schildkröten und steckten sie auf ihren Schiffen lebend in dunkle Vorratskammern, verseuchten das Meer mit Öl und verbreiteten Samen von fremden Pflanzen, die alles überwucherten. Das sind nur die Dinge, die mir gerade spontan einfallen.
Ach Mensch.
Und auch, wenn vieles davon inzwischen aufgehört hat, aufgeforstet und aufgepäppelt wird, stellt sich die Frage, was Reisende, so wie ich, mit einem Besuch der Inseln anrichten.
Jedes Jahr kommen 275.000 Touristen, die Millionen von Dollar ausgeben. Geld für die Wirtschaft, die Forschung und den Naturschutz, wie uns ein Guide berichtet. Aber auch Ursache von Abgasen, Müll, Hotelbau und Fehlverhalten in der Umwelt.
Damit Besucher nicht überall herumtrampeln, gibt es nur sehr wenige Straßen und Wanderwege. Viele davon darf man ohne Guide nicht betreten. Wer glaubt, auf den Galapagos-Inseln frei durch ein Paradies zu streifen, täuscht sich. Der Mensch muss die Natur vor sich selbst schützen.
Was denkt ihr – sollte man überhaupt an solche Orte reisen oder es lieber lassen? Kann man Vor- und Nachteile aufwiegen? Selbst Locals und Naturschützer sind sich da uneinig – und so geht’s mir auch.
Während unserer Zeit auf den Galapagos-Inseln – drei Tage solltet ihr mindestens mitbringen, auch wenn man sich danach finanziell fühlt wie eine ausgeraubte Bank – besuchen wir mehrere Aufzuchtstationen für die bekannten Riesenschildkröten. Es ist unglaublich, die winzigen Tierchen herumkrabbeln zu sehen, die mal zu über hundert Jahre alten Methusalems werden. Stell dir mal vor, du lebst 175 Jahre und alles, was du tust, ist Gras fressen. Klingt in der heutigen Welt verdammt meditativ.
Auf einer Bootstour an der Insel Isabela versuchen wir, Pinguine zu entdecken. Der Galapagos-Pinguin ist, wie viele Tiere und Pflanzen hier, endemisch. Das bedeutet, er kommt ausschließlich auf den Galapagos-Inseln und nirgendwo sonst in der Welt vor. Wir sehen Blaufuß-Tölpel, Mini-Haie und schwarze Meerechsen. Ich strenge mich sehr an, Pinguine auszumachen, aber immer wieder ist es am Ende bloß ein schwarzer Lavafelsen mit Vogelkacke. Schade. Aber das ist Natur und kein Entertainment-Programm.
Aus unerfindlichen Gründen lasse ich mich danach auf eine Schnorchel-Tour in 18 Grad kaltem Wasser ein. Ach was, 18 Grad war es früher auch immer im Sommerurlaub in der Nordsee. Ich sehe bunte Fische, eine Schildkröte und schwimme schließlich noch direkt über den Mini-Haien. Trotz Neoprenanzug spüre ich nach zwanzig Minuten meine Hände und Füße nicht mehr. „Is it cold?“, fragt jemand scheel vom Boot aus. Meine Zähne klappern bis nach Grönland und noch eine halbe Stunde später habe ich im Restaurant Probleme, meine Gabel mit meinen tauben Fingern waagerecht zu halten.
Nicht nur die Tiere sind unglaublich toll und nahbar – Seehunde liegen faul in der Fußgängerzone, Pelikane sitzen in Büschen direkt neben dem Hafen, knallrote Krabben laufen einem fast über die Füße – sondern auch die Geologie. Jetzt nicht olle Steine im Museum, sondern abgefahrene Sachen wie Lava-Tunnel und versunkene Krater. Einer der wenigen Wanderwege, die man ohne Guide betreten darf, führt um die Los Gemelos Krater, die eigentlich gar keine Vulkankrater sind, sondern Löcher, die beim Einsturz von leeren Magmakammern entstanden sind. Ich fühle mich wie im Film Jumanji. Überall hängt Moos von den Bäumen, bunte Vögel zwitschern, riesige Blumen ragen in den Weg. Nicht weit entfernt liegen mehrere Lava-Tunnel, durch die man hindurchlaufen kann.
Ja, es gibt viel auf den Galapagos-Inseln. Viele Naturwunder, viele Probleme, viele Schutzprogramme. Mich haben die Vielfalt der Arten, die surreale Schönheit der vulkanischen Natur und der große und teils sehr erfolgreiche Einsatz der Naturschützer beeindruckt. Eine Reise, die definitiv nachdenklich macht, die Zuversicht gibt und trotzdem für einen selbst viele Fragen offenlässt.
Mehr über unseren Roadtrip durch Ecuador und unser Abenteuer im Amazonas-Regenwald erfahrt ihr hier:
Oscar (Sonntag, 22 Januar 2023 10:56)
Wieder ein toller Bericht. Du sprichst aus unserer Seele - soll man solche Orte besuchen oder eher nicht? EineFrage die wir uns oft stellen und die immer wieder zum Seilziehen zwischen der muss das unbedingt und der Vernunft. not easy ��♂️.
Herzlich Oscar