Dunkel hebt sich die Silhouette auf dem Kamm der Düne vom Abendhimmel ab. Vier starke Beine, ein Schweif und zwei über 80 Zentimeter lange Hörner, dünn und Spitz wie Speere: magisch, wie ein Götterbote, steht eine Oryx-Antilope im „Gebiet, wo nichts ist“. Das ist die wörtliche Übersetzung für die Namib Wüste in Namibia, Afrika, abstammend aus der Nama-Sprache.
Doch trotz der endlosen, orangen Sandberge, der enormen Trockenheit, dem warmen Wind und den
wenigen, drahtig aussehenden Büschen, ist hier eine ganze Menge: Sternenstaub auf Erden in Trillionen, glitzernden Sandkörnern; feurige, afrikanische Sonnenaufgänge und -untergänge;
Tiere von winzigen Käfern bis zu haushohen Giraffen – und eine uralte Stille. So, als hätte man ein Buch mit tausend Seiten aufgeschlagen, das Papier golden und so dünn, dass es beim
Umblättern einfach zerfallen könnte.
Wir nehmen euch mit auf unseren Roadtrip durch Namibia, zur Spitze einer der größten Sanddünen der Welt, zu Mondschein über roter Unendlichkeit und dem Death Valley Namibias mit seinen unwahrscheinlichen, 900 Jahre alten Geisterbäumen. Ab in den Wüsten-Buggy und los geht’s!
Gebiet, wo nichts ist. Genauso fühlt sich die lange Anfahrt an. In die Namib Wüste kann man mit
dem eigenen Mietwagen oder mit einer Tour rumpeln. Rumpeln tut es in jedem Fall, denn kurz nach dem Verlassen der Hauptstadt Windhoek sind Teerstraßen Geschichte und man schaukelt
über Schotter- und Staubpisten. Stundenlang geht es durch Gegenden, die nicht nur Gott, sondern auch jegliche Spagettimonster fluchtartig verlassen haben. Büsche, Staub, Büsche, Zäune,
Staub. Es ist Anfang September – beste Reisezeit, weil die Südhalbkugel hat Winter und Namibia hat Trockenzeit. Doch das bedeutet auch, dass nichts grün ist und alles den Eindruck erweckt,
als wäre eine riesige Feuerwalze über das Land gelaufen und hätte sämtliche Vegetation ausgeknockt. In Namibia bedeutet Winter außerdem, dass es nur 30 Grad heiß wird statt 40. Namibia ist
Wüstenstaat und in der Namib Wüste fällt in manchen Teilen nur fünf Millimeter Regen pro Jahr. In Deutschland sind es durchschnittlich 500 bis 2000 Millimeter (Regen – ein Thema über das
der gemeine Alman ja stundenlang griesgrämig lamentieren kann).
Nach einer Fahrt, die sich anfühlt wie eine Expedition im Mars-Rover, landen wir an einer dieser surrealen Lodges, die wie kleine Oasen mitten im Nichts stehen. Völlig unnötigerweise mit Swimming Pool – einem Luxus für Touristen, dem ich in einem Land mit extremer Wasserknappheit absolut nichts abgewinnen kann. Ich schnappe mir stattdessen erstmal meine Kamera und spähe die Tierwelt aus. Gleich hinter der Lodge lungern ein paar wilde Oryx-Antilopen herum. Wunderschöne Wesen, die wie eine Mischung aus Zentaur und Einhorn aussehen, nur dass sie zwei extrem lange, spitze Hörner haben. Eines kratzt sich mit einem Horn am Hinterteil – eine praktische Funktion. Ich würde gern direkt auf Wanderschaft in der Wüste gehen, aber es ist früher Nachmittag und so heiß, dass die Katze auf dem Blechdach wegfliegen würde.
Am Abend haben wir eine geführte Sunset-Tour im offenen Wüsten-Buggy. „Ich hoffe, wir
sehen irgendwo in Namibia eine Giraffe!“, sage ich zu meinem Männe. Aber hier draußen ist nichts als oranger Sand, Sandsteinklippen, Sanddünen. Voll das Tarngebiet für den Sandmann!
Plötzlich hält unser Naturalist-Guide an und deutet in ein Gebüsch mit ein paar hutzeligen Bäumen. Ich höre, wie er „Giraffe“ sagt. Ich bin so aufgeregt, dass ich fast aus dem Buggy falle.
Giraffe? Hier?! Und da ist sie. Langsam steht sie vom Boden auf, erhebt sich zwischen den Zweigen und blickt umher in die endlose Stille der uralten Wüste. Ich raste aus! Unser erster Tag
in der Natur Namibias und da ist einfach mal schon einer der Hauptgründe, weshalb ich nach Afrika wollte: ‘ne Giraffe! Woooow!
Etwas später sehen wir eine einzelne Oryx-Antilope als schwarze Silhouette auf einem Bergkamm und dann… dann kommen wir auf einer der Sandsteinklippen an, von wo wir den Sonnenuntergang über dem ganzen, weiten Tal beobachten. Und was für ein Sonnenuntergang das ist! Orange, rot, pink, violett – so intensive Farben habe ich nur ein einziges Mal bei einem Sonnenuntergang in Kalifornien gesehen. Es ist abnormal bunt. Ich muss aussteigen und meine Schuhe wegpfeffern, weil man Sand einfach barfuß spüren muss.
Endlose, kleine Wellen an Sand erstrecken sich vor uns. Ich weiß, wenn der Wüsten-Buggy jetzt wegfahren würde, wären wir für immer in einem wunderschönen, lebensfeindlichen Landschaftsbild gefangen, höchstwahrscheinlich verdurstet, bevor wir zu Fuß irgendeine künstliche Wasserquelle erreichen könnten. Dann geht der Mond auf. Weiß und kalt stahlt er auf die dunkelroten Dünen, die noch immer vom letzten Sonnenlicht brennen.
Am nächsten Tag brechen wir mit unserem Tour-Guide und Fahrer vor Sonnenaufgang auf. Normalerweise breche ich ja dezent, wenn ich vor Sonnenaufgang irgendwo sein muss, aber heute fahren wir ins Sossusvlei und Deadvlei – dem Herzstück des Namib-Naukluft Nationalparks. „Vlei“ bedeutet „Tal“. Es ist relativ kühl, als wir im Dunkeln vor den Toren des Nationalparks im Jeep sitzen und auf Einlass warten. Der Park schließt bei Sonnenuntergang und öffnet wieder bei Sonnenaufgang – zum Schutz vor Unfällen, Tierbissen und kriminellen Taten wie Wilderei in der Dunkelheit.
Als wir einfahren, färben sich die Dünenkämme rot. Es ist mindestens so imposant wie der gestrige
Sonnenuntergang, nur dass wir jetzt in ein Gebiet kommen, in dem einige der größten Sanddünen der Welt liegen. Wie Berge türmen sie sich gegen den wolkenlosen Himmel auf.
Kurz darauf stapfen wir auf die Dune 45 (170 m), die neben der Daddy Dune (325 m) zu den größten, begehbaren Dünen im Nationalpark gehört. Noch höhere Dünen, mit teils über 1000 Metern, liegen in Südamerika und China.
Auf eine Sanddüne zu klettern, klingt spaßig, ist aber mega anstrengend. Immer wieder sinken wir bis zum Knöchel in den weichen Sand, der einfach mal fünf Millionen Jahre alt ist! Wie krass ist das denn?! Immer höher geht es bis zur Spitze, von wo der Blick hinausgeht in eine surreale braune-weiße Ebene, die einfach nicht zu diesem Planeten zu gehören scheint.
„Weißt du noch, als wir in den Great Sand Dunes in Colorado gezeltet haben und du eine Tonne Sand in den Schuhen hattest und überhaupt nicht vorangekommen bist? Das war so lustig!“, sagte ich grinsend zu meinem Männe. Er wirft mir einen seiner Nicht-schon-wieder-diese-Geschichte-Blicke zu und murmelt etwas von „Your humor isn’t!“
Dann rennen wir fast zeitgleich die Düne runter und hätte ich dabei nicht die uralte Stille der Wüste gestört, hätte ich am liebsten ausgelassen geschrien.
Noch etwas tiefer im Nationalpark findet man das Deadvlei – das Death Valley Namibias. Hier kommt man nur noch mit Allradantrieb (4x4) hin, denn die „Straße“ besteht nun vollkommen aus Sand. Selbst unser Jeep schwankt und röhrt und unser Fahrer arbeitet sich nur langsam voran.
Alle anderen klassischen Sehenswürdigkeiten in Namibia kann man aber mit einem normalen
2x4-Antrieb/Mietwagen erreichen und für das letzte Stück zum Deadvlei gibt’s im Zweifel Shuttlefahrzeuge. Für unseren Trip in die Namib Wüste haben wir eine Tour gebucht, weil wir keinerlei
Erfahrung im Fahren auf Sand hatten – den Rest des Roadtrips durchs Land haben wir ohne Probleme als Selbstfahrer in einem 2x4-SUV mit hoher Bodenfreiheit gemacht.
Auch die Sandpiste endet irgendwann und die letzten zwei Kilometer geht’s zu Fuß – nochmal durch
heißen, weichen Sand – zum Deadvlei. Ich bin dezent erledigt, als wir endlich das weiße, flache Tal erreichen. Mittendrin dunkle, trockene, tote Bäume, die wie Klauen in der Sonne
stehen. Unfassbare 900 Jahre sind diese Bäume alt. Eine plötzliche Klimaveränderung hat ihnen das Wasser abgegraben und seitdem ist es so trocken und heiß, dass es nicht mal Bakterien
gibt, die das Holz zersetzen könnten. Also stehen sie einfach da. Und stehen und stehen in der heißen, erbarmungslosen Wüstensonne. Wenn jetzt noch jemand fließende Uhren an die Äste hängen
würde, wäre die Dalí-Illusion perfekt.
Die Namib Wüste mag wörtlich übersetzt das Gebiet sein, „wo nichts ist“, aber sie ist voller Magie, voller lebensfeindlicher Schönheit; Farben, Tiere und Wunder. Fünf Millionen Jahre alter Sand an unseren Füßen und eine Oryx-Antilope am Horizont – was könnte es Schöneres geben?
Weitere Berichte von unserem Namibia-Trip und Wüsten-Abenteuern findet ihr hier:
SquirrelSarah (Mittwoch, 27 November 2024 19:20)
Hi Peter,
danke fürs Mitreisen. :) Definitiv eine spannende Gegend. Gäb es da unterwegs Seen und Quellen, würde ich ja gern mal durch so 'ne Wüste durchwandern. So bleiben nur Kamele. :D
Liebe Grüße
Sarah
Don Pedro (Sonntag, 24 November 2024 12:37)
Hi Squirrli,
danke für den tollen Erlebnisbericht aus dem Gebiet, wo nichts ist. Sehr interessante Informationen über einen besuchenswerten Landstrich.
Beste Grüße
Don